Therapiebeispiel mit Zugang 1: Sich in den Körper einlassen
Gehen Sie davon aus: Andreas war bei Therapieabschluss Mitte Dreissig und kam über längere Zeit in unterschiedlichen Abständen in Therapie. Anlass waren Versagensängste, die ihm an seiner Arbeitsstelle zu schaffen machten, bis er sie nicht mehr halten konnte.
Andreas liess sich auf Körperübungen ein, zum Beispiel auf eine Stossbewegung mit einem Fuss gegen einen dafür abgesicherten körperlichen Widerstand des Therapeuten. Das ging für ihn. Hingegen dazu noch die Stimme einzubringen mit einem HE! war für ihn schwierig. Das bringe er nur eingeschränkt heraus. Er spüre eine Hemmung in der Kehle. Aber die Erfahrung, dass er mit gutem Gefühl in körperlichen Widerstand zu mir gehen konnte, wendete er im Alltag an.
Er baute sie ins Joggen oder auch sonst beim Gehen ein, indem er zwischendurch ein Hindernis wählte, gegen das er mit seinem Fuss abstossen konnte. Das helfe ihm, aus seinem Grübeln heraus zu kommen und seine eigene Stimme zu wecken, indem er jeweils HE! oder was Ähnliches probiere. Dabei merke er aber gleichzeitig die Hemmung, als ob er etwas Unerlaubtes sage. Später in der Therapie präzisierte er, dass ihn dies wütend und auch traurig mache. Wenn er sich von einem Hindernis abstosse, spüre er, wie sein Atem sich vertiefe und die Angst zurückgehe, aber eben „diese Gefühle!“, manchmal werde ihm auch übel.
Diese Mischung von Gefühlen und körperlichem Befinden gingen wir an. Mir körperlich entgegenzutreten (was für ihn möglich war), nutzte er, um Angst, Wut, Trauer, Übelkeit zu erkunden. Es kamen Erinnerungen an den Vater, der „keine Gefühle“ zeigte, bzw. stillschweigend befahl, „wo es lang geht“. Er stellte dies räumlich dar, diffus von allen Seiten beobachtet und beurteilt zu werden. Wo konnte er seine Stimme hin richten? Ich bot ihm ein Gegenüber als einer, der ihm zuhörte, und der ihn ermutigte mit seiner Stimme den feindlichen Raum etwas heraus zu fordern, zumindest eine Nuance von Wut auszudrücken, so diffus beherrscht zu werden.
Dabei waren immer auch körperlich unterstützende Einfälle erwünscht, wie der, dass er eine unsichtbare Wand aufstellte, die er mit einem Laut durchbrach. Hier stellte er überrascht fest, dass viel von ihm abhing; dass er diese Wand dauernd reproduzierte, sich auf sie ausrichtete, sich durch diese Anstrengung die Stimme rauben liess. Er begann, seine Stimme anders auszuprobieren. Er probierte auch mit mir zusammen, indem ich seinen Lauten gegenüber mit solchen von mir antwortete.
Hier überraschte ihn, dass Probieren erlaubt ist und Stimme und Bewegung sich nutzen lassen, auch mal „wie in einem Baukasten“ Gefühle zu erzeugen und sie für ein Gegenüber vernehmbar zu machen, z. B. wütend zu atmen, zu fauchen, zu stampfen und dabei dem Therapeuten ins Gesicht zu sehen. Oder Trauer zuzulassen und seinen Atem darin zu erfahren. Andreas lernte, dass „was von ihm kommt, auch etwas ist“.